Archiv des Autors: MIB

Unwirksamkeit einer Haftungsbeschränkung in einer Gebrauchtwagen-Garantiebedingung

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Wirksamkeit einer Klausel in einer Gebrauchtwagen-Garantie befasst, die die Garantieansprüche des Käufers an die Durchführung der Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten in der Werkstatt des Verkäufers/Garantiegebers oder eine vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt knüpft.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Gebrauchtwagen-Garantie geltend. Der Kläger kaufte von einem Autohaus im November 2009 einen Gebrauchtwagen „inkl. 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie gemäß Bestimmungen der Car-Garantie“. Die vom Kläger und Verkäufer unterzeichnete Garantievereinbarung lautet:

„Der Käufer erhält vom Verkäufer eine Garantie, deren Inhalt sich aus dieser Garantievereinbarung (…) und aus den beiliegenden (…) Garantiebedingungen ergibt. Diese Garantie ist durch die [Beklagte] versichert“.

In § 4 Buchst. a der maßgeblichen Garantiebedingungen heißt es unter anderem:

„Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer (…) an dem Kraftfahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt (…)“.

Unter § 6 Nr. 3 der Garantiebedingungen ist geregelt:

„Der Käufer/Garantienehmer ist berechtigt, alle Rechte aus der versicherten Garantie im eigenen Namen unmittelbar gegenüber der [Beklagten] geltend zu machen. Im Hinblick darauf verpflichtet sich der Käufer/Garantienehmer, stets vorrangig die [Beklagte] in Anspruch zu nehmen.

Im April 2010 ließ der Kläger den vierten Kundendienst an dem Fahrzeug in einer freien Werkstatt durchführen. Im Juli 2010 blieb das Fahrzeug infolge eines Defekts der Ölpumpe liegen. Ein vom Kläger eingeholter Kostenvorschlag für eine Fahrzeugreparatur belief sich auf 16.063,03 €. Der Kläger ließ das Fahrzeug zunächst nicht reparieren.

Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten zunächst Zahlung von 10.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 3.279,58 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten verurteilt, nachdem der Kläger nach erfolgter Reparatur seinen Anspruch nur noch in dieser Höhe verfolgt hat.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Regelung in § 4 Buchst. 1 der Garantiebedingungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB* unwirksam ist. Die dort geregelte Anspruchsvoraussetzung, nach der Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer an dem Kraftfahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt, ist nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB* einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen. Denn bei einer Wartungsklausel handelt es sich jedenfalls dann um eine die Leistungsabrede lediglich ergänzende und damit der Inhaltskontrolle unterliegende Regelung, wenn die Garantie – wie vorliegend – nur gegen Zahlung eines dafür zu entrichtenden Entgelts zu erlangen war.

Das Berufungsgericht hat den Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem Verkäufer des Gebrauchtwagens rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass der Kläger die Garantie entgeltlich erlangt hat. Es hat zur Begründung seiner Auslegung auf die Rechnung des Verkäufers verwiesen, nach welcher der Kläger den Gebrauchtwagen „inklusive 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie“ zum Gesamtpreis von 10.490 € erworben hat. Der Umstand, dass die Rechnung keine Aufschlüsselung des Gesamtpreises nach den Kaufpreisanteilen für das Fahrzeug und die Garantie enthält, nötigt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist unerheblich, wie hoch das Entgelt für das Fahrzeug einerseits und die Garantie andererseits ist, wenn die Auslegung des Kaufvertrags – wie hier – ergibt, dass sich der Gesamtkaufpreis auf beides bezieht. Denn die Kontrollfähigkeit der Wartungsklausel hängt nur von der Entgeltlichkeit der Garantie, nicht von der Höhe des auf sie entfallenden Entgelts ab.

Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Klausel in einem vom Garantiegeber formularmäßig verwendeten Gebrauchtwagen-Garantievertrag wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn sie die Leistungspflicht des Garantiegebers für den Fall, dass der Garantienehmer die vom Fahrzeughersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten nicht durchführen lässt, unabhängig davon ausschließt, ob die Säumnis des Garantienehmers mit seiner Wartungsobliegenheit für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist. Dies trifft auf die hier vorliegende Bestimmung in § 4 Buchst. a der Garantiebedingungen zu.

*§ 307 BGB: Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Urteil vom 25. September 2013 – VIII ZR 206/12

LG Freiburg – Urteil vom 7. März 2011 – 14 O 476/10

OLG Karlsruhe – Urteil vom 20. Juni 2012 – 13 U 66/11

Karlsruhe, den 25. September 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 156/2013 vom 25.9.2013

Steht mir nach einem Unfall Schmerzensgeld zu?

Ausgehend davon, dass der Unfallgegner insgesamt oder teilweise für die Unfallfolgen einzustehen hat, können Sie in der Regel für eingetretene Verletzungen Schmerzensgeld verlangen. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld kommt immer dann in Frage, wenn die erlittenen Verletzungen nicht nur unerheblich sind. Sinn des Schmerzensgeldes ist es, einen Ausgleich für die erlittenen Lebensbeeinträchtigungen zu erhalten. Maßgeblich für die Höhe des Schmerzensgeldes sind die erlittene Heftigkeit, Größe und Dauer der Schmerzen, Leiden und/oder der Entstellungen. Auch seelische Beeinträchtigungen sind zu berücksichtigen.

Neben dem Schmerzensgeld kommt zum Beispiel auch ein Anspruch auf Ersatz von Heilbehandlungskosten und Erwerbsschäden in Betracht. Zu den Heilbehandlungskosten zählen dabei neben den unmittelbaren ärztlichen Behandlungen auch etwaige Zuzahlungen zu Heilanwendungen (wie zum Beispiel Krankengymnastik), Kosten für Rezepte etc.. Fallen Sie als Arbeitskraft aus und haben Sie in Folge Einkommenseinbußen, steht ihnen auch diesbezüglich ein Ersatzanspruch zu.

Angaben des Autoverkäufers zur Erteilung der Umweltplakette

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Käufer eines mit einer gelben Umweltplakette versehenen Gebrauchtfahrzeugs den privaten Verkäufer auf Gewährleistung in Anspruch nehmen kann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Plakette mangels Einstufung des Fahrzeugs als „schadstoffarm“ nicht erfüllt sind und es deshalb in Umweltzonen nicht benutzt werden kann.

Die Klägerin kaufte von dem Beklagten am 25. Januar 2011 ein gebrauchtes Wohnmobil (Baujahr 1986) zu einem Preis von 7.500 €. Der Beklagte hatte das Fahrzeug selbst gebraucht erworben. Im Kaufvertrag heißt es u.a.: „Für das Fahrzeug besteht keine Garantie.“

An der Windschutzscheibe des Wohnmobils befand sich eine gelbe Umweltplakette (Feinstaubplakette Schadstoffgruppe 3). Über diese sprachen die Parteien bei den Kaufverhandlungen. Der Beklagte räumt ein, dass die Klägerin wegen der Plakette nachgefragt habe. Er habe gesagt, dass die Plakette bei seinem Erwerb des Fahrzeugs vorhanden gewesen sei und er deshalb nicht wisse, warum das Fahrzeug diese Plakette nicht wieder bekommen solle. Bei einem zweiten Besuch der Klägerin habe er gesagt, er gehe davon aus, dass das Fahrzeug die gelbe Plakette wiederbekomme, weil es bereits diese gelbe Plakette habe.

Bei der Ummeldung des Fahrzeugs erhielt die Klägerin keine neue gelbe Plakette. Die Herstellerfirma des Wohnmobils teilte ihr auf Nachfrage mit, dass der Motor des Fahrzeugs keine Euronorm erfülle, dieses deshalb als „nicht schadstoffarm“ eingestuft werde, eine Plakette nicht zugeteilt werden könne und auch eine Umrüstung nicht möglich sei. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 11. März 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung vergeblich zur Rückabwicklung des Kaufvertrages auf. Die Klage der Käuferin auf Rückabwicklung des Kaufvertrages hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Auch die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Käuferin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat offen gelassen, ob die fehlende Nutzungsmöglichkeit des Wohnmobils in Umweltzonen – wie vom Berufungsgericht angenommen – einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB* darstellt. Denn die Parteien, die beide als Verbraucher gehandelt haben, haben durch die Klausel „Für das Fahrzeug besteht keine Garantie.“ insoweit die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die – von den Parteien als juristischen Laien – gewählte Formulierung bei verständiger Würdigung als ein solcher Gewährleistungsausschluss zu verstehen.

Im Übrigen hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Würdigung des Berufungsgerichts gebilligt, dass die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin, dass das Fahrzeug auch in Umweltzonen benutzte werden kann, nicht getroffen haben. Denn die Angaben des Beklagten zu der an dem Wohnmobil angebrachten Umweltplakette sind nicht mit der Zusage eines Verkäufers vergleichbar, an dem verkauften Gebrauchtfahrzeug vor der Übergabe die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO durchführen zu lassen („TÜV neu“, vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1988 – VIII ZR 145/87, BGHZ 103, 275, 280 ff.). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte im Hinblick auf die an dem Fahrzeug angebrachte gelbe Umweltplakette gerade keine Zusagen gemacht, sondern die Klägerin (nur) darauf hingewiesen, dass ihm nicht bekannt sei, wann und unter welchen Umständen das Fahrzeug die Plakette erhalten habe, mit der es bei seinem eigenen Erwerb bereits versehen gewesen sei; ihm seien keine Umstände bekannt, die einer Wiedererteilung der Plakette nach der Ummeldung entgegenstehen könnten. Nach der Rechtsprechung des Senats liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht vor, wenn sich der Verkäufer im Rahmen von Verkaufsverhandlungen für eine Aussage – etwa durch den Zusatz „laut Vorbesitzer“ oder „laut Kfz-Brief“ – ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle bezieht und so hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handelt (Senatsurteil vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 13). So liegt der Fall auch hier.

*§ 434 BGB: Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Urteil vom 13. März 2013 – VIII ZR 186/12

LG Duisburg – Urteil vom 14. Oktober 2011 – 13 O 29/11

OLG Düsseldorf – Urteil vom 6. Juni 2012 – I-3 U 63/11

Karlsruhe, den 13. März 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 41/2013 vom 13.3.2013

Nutzungsausfallschaden – wie lange ? BGH Urteil vom 5.2.2013 Az. VI ZR 363/11

Ist das Fahrzeug des Geschädigten aufgrund eines Unfallereignisses nicht mehr fahrbereit, kann der Geschädigte „in der Regel“ für den Zeitraum des Ausfalls (Zeitraum der Ersatzbeschaffung bzw. Dauer der Reparatur) eine so genannte Nutzungsausfallentschädigung vom Schädiger verlangen. Streitig kann sein, für welchen Zeitraum dem Geschädigten Nutzungsausfall zusteht.

Gemäß Urteil des Bundesgerichtshofes vom 5.2.2013 (Az. VI ZR 363/11) besteht der Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls für die erforderliche Ausfallzeit, d.h. für die notwendige Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und gegebenenfalls einer angemessenen Überlegungszeit.

BGH Urteil vom 5.2.2013 Az. VI ZR 363/11

Montagsauto – ab wann ist ein Nacherfüllungsverlangen unzumutbar ?

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, wann ein Fahrzeug als sogenanntes „Montagsauto“ einzustufen ist und daher ein weiteres Nacherfüllungsverlangen für den Käufer unzumutbar ist.

Der Kläger kaufte am 14. Juni 2008 zum Preis von 133.743 € brutto von der Beklagten ein neues Wohnmobil, das ihm Ende April 2009 gegen Zahlung des Kaufpreises ausgeliefert wurde.

Im Zeitraum von Mai 2009 bis März 2010 brachte der Kläger das Wohnmobil insgesamt dreimal zur Durchführung von Garantiearbeiten in die Werkstatt der Beklagten. So rügte er am 16. Mai 2009 zwanzig Mängel (u.a. Knarren der Satellitenantenne beim Ausfahren, Flecken in der Spüle, schief sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder, lose Stoßstange, Lösen der Toilettenkassette aus der Halterung während der Fahrt). Am 6. August 2009 und am 1. März 2010 rügte er jeweils weitere Mängel.

Mit Anwaltsschreiben vom 1. April 2011 erklärte der Kläger – nachdem er zwischenzeitlich weitere Mängel selbst beseitigt hatte und erneut Garantiearbeiten hatte durchführen lassen – den Rücktritt vom Kaufvertrag und rügte das Vorhandensein von fünfzehn Mängeln, deren Beseitigung nach den Erkenntnissen eines von ihm beauftragten Sachverständigen einen Kostenaufwand von 5.464 € netto verursachen würde. Die Beklagte wies den Rücktritt zurück und bot die Beseitigung vorhandener Mängel im Wege der Nacherfüllung an. Hiervon machte der Kläger keinen Gebrauch. Er vertritt die Auffassung, in Anbetracht der Vielzahl der insgesamt aufgetretenen Mängel („Montagsauto“) sei der Rücktritt vom Kaufvertrag ohne vorherige Fristsetzung zur Mängelbeseitigung zulässig.

Mit seiner Klage macht der Kläger Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich Wertminderung) und Erstattung aufgewendeter Gutachterkosten, insgesamt 125.185,86 € (nebst Zinsen), Zug um Zug gegen Rückgabe des Wohnmobils geltend. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Auch die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem gehäuften Auftreten von Mängeln ein sogenanntes „Montagsauto“ vorliegt, bei dem eine (weitere) Nacherfüllung für den Käufer gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB* entbehrlich oder nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB** unzumutbar ist, der wertenden Betrachtung durch den Tatrichter unterliegt. Ob ein Neufahrzeug im Hinblick auf die Art, das Ausmaß und die Bedeutung der aufgetretenen Mängel als „Montagsauto“ anzusehen ist, beurteilt sich dabei danach, ob der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird.

Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht als unzumutbar angesehen. Dabei ist es rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Umstand, dass innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums zahlreiche Mängel aufgetreten sind, aufgrund anderer bedeutsamer Aspekte entscheidend an Gewicht verliert. Insbesondere handelt es sich nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Wertung des Berufungsgerichts bei der weitaus überwiegenden Anzahl der vom Kläger beanstandeten Mängel um bloße Bagatellprobleme, die nicht die technische Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs, sondern dessen Optik und Ausstattung betreffen und denen das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei lediglich „Lästigkeitswert“ beigemessen hat.

*§ 323 BGB: Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

3. besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

**§ 440 BGB: Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz

Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. …

Urteil vom 23. Januar 2013 – VIII ZR 140/12

LG Osnabrück – Urteil vom 17. November 2011 – 1 O 901/11

OLG Oldenburg – Urteil vom 4. April 2012 – 3 U 100/11

Karlsruhe, den 23. Januar 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 11/2013 vom 23.1.2013

Aufklärungsobliegenheiten gegenüber dem Kaskoversicherer bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort

Der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat hat entschieden, dass ein Verstoß gegen § 142 Abs. 2 StGB (nicht unverzügliche Ermöglichung nachträglicher Feststellungen nach zunächst erlaubtem Entfernen vom Unfallort) nicht in jedem Falle zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Fahrzeugversicherer beinhaltet, die zu dessen Leistungsfreiheit führt.

In dem entschiedenen Fall erlitt der Kläger mit seinem bei der Beklagten kaskoversicherten Fahrzeug gegen 1 Uhr morgens einen Unfall, als er – nach seiner Behauptung bei einem Ausweichmanöver wegen auf der Straße stehender Rehe – auf einer Landstraße in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abkam und mit dem Fahrzeugheck gegen einen Baum prallte, der ebenso wie sein Fahrzeug beschädigt wurde. Nach dem Unfall verständigte er den ADAC, der das Fahrzeug abschleppte, und ließ sich von einem herbeigerufenen Bekannten an der Unfallstelle abholen. Die Polizei und den Geschädigten (das zuständige Straßenbauamt) verständigte er nicht. Ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde später eingestellt.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Regulierung des Schadens an seinem Fahrzeug. Er behauptet, ihr den Schaden unverzüglich angezeigt zu haben. Die Beklagte lehnte die Regulierung wegen der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten (hier E.1.3. AKB 2008) durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ab. Mit seiner Klage verlangt der Kläger den Ersatz des auf rund 27.000 € bezifferten Schadens.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Aufklärungsobliegenheit stets verletzt sei, wenn der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht werde. Das gelte auch in den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB, gegen den der Kläger verstoßen habe.

Der Bundesgerichtshof hat einen solchen Automatismus verneint. Er hat entschieden, dass dem Aufklärungsinteresse des Versicherers trotz eines Verstoßes gegen § 142 Abs. 2 StGB dann in ausreichender Weise genügt ist, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachträgliche Information des Geschädigten noch „unverzüglich“ im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB gewesen wäre und eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift vermieden hätte, zwar nicht den Geschädigten, aber unmittelbar seinen Versicherer oder dessen Agenten informiert hat. Dies hatte der Kläger behauptet. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Urteil vom 21. November 2012 – IV ZR 97/11

Oberlandesgericht Dresden – Urteil vom 6. April 2011 – 7 U 1310/10

Landgericht Bautzen – Urteil vom 19. Juli 2010 – 3 O 466/09

Karlsruhe, den 21. November 2012

§ 142 StGB (Auszug)

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder

2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich

1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder

2. berechtigt oder entschuldigt

vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.

E.1.3 AKB 2008

Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

E.6.1 AKB 2008

Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 bis E.5 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. …

Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 195/2012 vom 21.11.2012

Haftung für die Unfallfreiheit eines bei einem Autokauf vom Händler in Zahlung genommenen Gebrauchtwagens

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung zur Haftung des Käufers getroffen, der beim Kauf eines Fahrzeugs von einem Händler einen Gebrauchtwagen als unfallfrei in Zahlung gibt.

Der Beklagte erwarb im Mai 2003 einen gebrauchten Audi A 6. Im Dezember 2003 erlitt er mit dem Fahrzeug einen Unfall, als beim Rückwärtsfahren aus einer Parklücke der Unfallgegner seine Fahrzeugtür öffnete. Den entstandenen Streifschaden an der hinteren rechten Tür und an der Seitenwand, der sich nach einem eingeholten Gutachten auf knapp 3.000 € belief, ließ er – nicht fachgerecht – reparieren.

Im Juli 2004 verkaufte die Klägerin, eine Autohändlerin, dem Beklagten einen VW Passat und nahm den Audi A 6 in Zahlung. Dabei wurde im Ankaufsschein unter der vorgedruckten Rubrik „Das Fahrzeug hat keine/folgende Unfallschäden erlitten“ das Wort „keine“ eingekreist und unterstrichen.

Die Klägerin veräußerte den Audi A 6 im März 2005 als „laut Vorbesitzer unfallfrei“ weiter. Kurze Zeit nach der Übergabe verlangte der Erwerber des Fahrzeugs wegen verschiedener Mängel Rückabwicklung des Kaufvertrages. In dem hierüber geführten Prozess unterlag die Klägerin und nahm das Fahrzeug gegen Zahlung des Kaufpreises nebst Zinsen zurück.

Die Klägerin nimmt den Beklagten Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs auf Erstattung der an den Erwerber gezahlten Beträge sowie der Kosten des Vorprozesses, insgesamt 41.106,75 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten, in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein stillschweigender Gewährleistungsausschluss im Hinblick auf Unfallschäden schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Parteien im Ankaufsschein eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs, nämlich die Unfallfreiheit, im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB* vereinbart haben. Nach der Rechtsprechung des Senats kann im Fall einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung selbst ein daneben ausdrücklich vereinbarter Gewährleistungsausschluss nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er die Unverbindlichkeit der Beschaffenheitsvereinbarung zur Folge haben soll. Für einen stillschweigend vereinbarten Gewährleistungsausschluss kann nicht anderes gelten.

Die Klägerin kann von dem Beklagten jedoch nur Erstattung des an den Erwerber des Fahrzeugs zurückgezahlten Kaufpreises verlangen. Für die Kosten des Vorprozesses muss der Beklagte nicht aufkommen, da diese Schäden nur der Klägerin, nicht aber dem Beklagten zugerechnet werden können. Denn die Klägerin hat sich auf einen für sie erkennbar aussichtslosen Prozess mit dem Erwerber des Fahrzeugs eingelassen. Die Beanstandungen des Erwerbers machten eine eingehende Untersuchung des Fahrzeugs durch einen Fachmann erforderlich. Bei deren Durchführung hätte die Klägerin die Unfallschäden ohne weiteres erkennen und der Rückabwicklung des Kaufvertrages unverzüglich zustimmen müssen.

*§ 434 BGB: Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. …

Urteil vom 19. Dezember 2012 – VIII ZR 117/12

LG Marburg – Urteil vom 18.10.2010 – 7 O 124/09

OLG Frankfurt – Urteil vom 21.03.2012 -15 U 258/10

Karlsruhe, den 19. Dezember 2012

Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 213/2012 vom 19.12.2012