Archiv für den Monat: Oktober 2013

Unter welchen Voraussetzungen kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern kann.

Der Kläger schloss im August 2009 einen Leasingvertrag über einen Neuwagen. Er begehrt von dem Autohaus, das das Fahrzeug geliefert hatte, aus abgetretenem Recht der Leasinggeberin unter Berufung auf verschiedene Mängel des Fahrzeugs Nacherfüllung durch Lieferung eines Neufahrzeugs. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, das Fahrzeug sei jedenfalls insoweit mangelhaft, als die automatisch an- und ausklappenden Außenspiegel nicht zuverlässig funktionierten; die Beklagte könne sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass die Lieferung eines Neufahrzeugs für sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei.

Die von dem unter anderem für das Kaufrecht zuständigen VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassene Revision hatte Erfolg. Das Berufungsgericht hat es der Beklagten zu Unrecht versagt, sich gegenüber dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB*) auf das Verweigerungsrecht aus § 439 Abs. 3 BGB* zu berufen. Verweigert der Verkäufer die Nacherfüllung zu Unrecht mit der Begründung, dass keine Mängel vorhanden seien, so kann der Käufer – wie hier – den Anspruch auf Nacherfüllung aus § 437 Nr. 1 BGB, § 439 BGB klageweise geltend machen. Dies hat zur Folge, dass dem Verkäufer unter den Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB das Recht zusteht, gerade die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern. Diese Einrede des Verkäufers ist nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte zunächst jegliche Mängel des Fahrzeugs bestritten und aus diesem Grund die Nacherfüllung insgesamt verweigert hat. Der Verkäufer ist in der Regel nicht daran gehindert, sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen.

Da das Berufungsgericht nicht abschließend geprüft hat, ob hinsichtlich des festgestellten Mangels die Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB vorliegen, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Urteil vom 16. Oktober 2013 – VIII ZR 273/12

LG Regensburg – Urteil vom 23. November 2011 – 1 O 2271/10
OLG Nürnberg – Urteil vom 14. Juni 2012 – 5 U 2605/11

Karlsruhe, den 16. Oktober 2013

* § 437 BGB

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen, (…)

** § 439 BGB

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. (…)

(3) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung (…) verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. (…)

Karlsruhe, den

Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 171/2013 vom 16.10.2013

Kein Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen bei fiktiver Abrechnung des Verkehrsunfalls

Nach § 249 Abs.2 S.1 BGB kann der Geschädigte, wenn wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Im Rahmen der fiktiven Unfallschadenabrechnung sahen sich in jüngerer Vergangenheit zahlreiche Versicherer veranlasst, im Rahmen der fiktiven Abrechnung (also Abrechnung auf Basis eines Kostenvoranschlages oder Gutachtens ohne Fahrzeugreparatur) den Schadensersatzbetrag wegen nicht angefallener Sozialabgaben und Lohnnebenkosten zu kürzen. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 19.2.2013 diesem Procedere der Versicherungen eine Absage erteilt. Gemäß Leitsatz des BGH umfassen,

Bei einer (fiktiven) Schadensabrechnung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die erforderlichen Reparaturkosten auch allgemeine Kostenfaktoren wie Sozialabgaben und Lohnnebenkosten.
Urteil des BGH vom 19.2.2013 VI ZR 69/12

Ähnlich entschieden hatte schon das Amtsgericht Aschaffenburg – Zweigestelle Alzenau – mit Urteil vom 8.11.2012 – 130 C 436/12